Gentherapie

Gentherapie

Die Zukunft der Hämophilie-Behandlung?

Die Gentherapie ist eine innovative Methode, um genetisch bedingte Erkrankungen zu behandeln. Seit einiger Zeit forschen Wissenschaftler auch an einer Gentherapie für Hämophilie und konnten bereits vielversprechende Ergebnisse erzielen.

Das Prinzip der Gentherapie

Unsere Gene, die in jeder Körperzelle vorhanden sind, enthalten Information zum Bauplan unseres Körpers. Sie bestimmen alle Merkmale – z. B. wie wir aussehen, ob wir blaue oder braune Augen haben oder wie unsere Organe funktionieren. Bei Hämophilie ist das Gen, das die Bauanleitung für Gerinnungsfaktoren trägt, defekt. Darum funktioniert die Blutgerinnung nicht so, wie sie eigentlich soll. Um Blutungen zu vermeiden, muss der fehlende Gerinnungsfaktor per Faktorsubstitution zugeführt werden.

Die Idee der Gentherapie beruht nun darauf, das defekte Gen durch eine intakte Version zu ersetzen. Mithilfe dieses sog. therapeutischen Gens sollen Menschen mit Hämophilie den fehlenden Gerinnungsfaktor wieder selbst herstellen können, ohne auf regelmäßige Injektionen angewiesen zu sein.

Gerade Hämophilie ist nach Expertenmeinung gut für eine Gentherapie geeignet: Zum einen ist die Gerinnungsstörung gut erforscht, zum anderen beruht sie auf nur einem einzigen genetischen Defekt. Schon eine kleine Verbesserung der Genfunktion kann einen großen Effekt auf die Blutgerinnung haben.

Ansätze der Gentherapie

Die Grundidee klingt zunächst einmal simpel: Ein therapeutisches Gen, das in die Zelle eingebracht wird, repariert oder ersetzt das defekte Gen. Doch so einfach ist es leider nicht. In der Praxis ist es eine große Herausforderung, die Gene gezielt in die Zellen und das Erbgut einzuschleusen. Weltweit suchen Biotechnologen nach Möglichkeiten. Aktuell verfolgen sie zwei Ansätze:

1. Die Vektormethode

Die Vektormethode erinnert etwas an das Trojanische Pferd. Denn das Gen, das ein Patient erhalten soll, wird zunächst in eine Virushülle verpackt. Ganz konkret werden dafür Hüllen von nicht pathogenen Viren verwendet. Das sind Viren, die keine Erkrankung hervorrufen. Das verpackte Gen wird dann in den Körper injiziert. Im Körper dient die Virushülle als Transportmittel – sie dringt problemlos in eine Körperzelle ein. Somit kann das therapeutische Gen, versteckt in einer Virushülle, an das Erbgut gelangen. Dort angekommen, setzt die Virushülle das intakte Gen frei, das nun den Gerinnungsfaktor bilden kann.

Abbildung Prozess Gentherapie

In Studien zur Hämophilie-Behandlung setzen Biotechnologen überwiegend spezielle Adeno-assoziierte Viren ein. Mit diesen nicht pathogenen Viren kann zweierlei erreicht werden:

  • Das therapeutische Gen wird vor allem in die Leberzellen eingeschleust, da Gerinnungsfaktoren zum Großteil in der Leber gebildet werden.
  • Die fehlende Information für den Gerinnungsfaktor VIII oder IX wird als eine Zusatzinformation in den Zellkern eingebracht. Das heißt, an der grundlegenden Erbinformation des Behandelten ändert sich nichts.

2. Die Genschere

Die Idee hier: Das defekte Gen wird vollständig aus der Erbinformation herausgeschnitten und durch die intakte Version ersetzt. Ziel ist es, das fehlerhafte Gen zu reparieren und somit die Erkrankung zu heilen. Bereits bei anderen schweren Erkrankungen wurde diese Methode vereinzelt erfolgreich eingesetzt.

Prozess Genschere: DNA-Abschnitt wird herausgetrennt und neuer Abschnitt eingesetzt

Wichtige Voraussetzung dieser Methode: Die Genschere muss extrem präzise und zuverlässig vorgehen. Auf Hämophilie bezogen dürfen ausschließlich Zellen verändert werden, die die Gerinnungsfaktoren herstellen. Außerdem muss die neue Gen-Information exakt an der richtigen Stelle eingefügt werden.

Aktueller Forschungsstand

Die Gentherapie ist ein faszinierendes Forschungsgebiet. Es entwickelt sich rasant und birgt großes Potenzial, zahlreiche genetische Erkrankungen noch besser zu behandeln. Bevor die Gentherapie als Behandlung zum Einsatz kommt, muss belegt werden, dass sie sowohl wirksam als auch sicher ist. Daher ist es wichtig, zuverlässige Daten aus klinischen Studien zu erheben, Probanden langfristig genau zu beobachten und die Risiken der Therapie gut abzuwägen.

Es wird bereits seit einiger Zeit an einer Gentherapie gegen Hämophilie geforscht und entwickelt. Für Hämophilie B gibt es bereits vielversprechende Ergebnisse zur Vektormethode. Die Forscher hoffen, dass schon Ende 2020 ein erstes Medikament zur Verfügung steht. Auch bei Hämophilie A könnte die Entwicklung jetzt schnell vorangehen.

Chancen der Gentherapie

Eine sichere und wirksame Gentherapie würde vieles erleichtern. Für Hämophile könnte dies bedeuten, dass keine Gerinnungsfaktoren mehr injiziert werden müssen. Zum einen wird damit das Risiko einer Infektion gesenkt, die durch fehlerhafte Injektion oder – wie in weniger entwickelten Ländern – durch ungenügend gereinigtes Plasmaprodukt entstehen kann. Zum anderen würde sich das Risiko für die Hemmkörper-Hämophilie, eine der häufigsten Komplikationen in der Hämophilie-Behandlung, verringern.

Eine Umfrage bei Betroffenen ergab, dass sich zwei Drittel der Befragten von einer Gentherapie eine komplette oder zumindest vorübergehende Heilung erhoffen. Jeder 5. Betroffene erwartet durch Gentherapie eine Besserung der Erkrankung dahingehend, dass Faktorpräparate nur bei akuten Notfällen gespritzt werden müssen.

Insgesamt bedeutet Gentherapie für 80 % der Befragten Hoffnung. 12 % der Betroffenen haben noch Zweifel und Bedenken gegenüber der Gentherapie. Woran liegt das? 

Risiken der Gentherapie

Trotz intensiver Forschung sind noch immer wichtige Fragen zur Gentherapie offen. In manchen Studien zur Gentherapie gibt es z. B. Hinweise darauf, dass sich die Behandlung schädlich auf die Leber auswirken könnte. Fraglich ist auch, ob bei der Vektormethode das zugeführte Gen eine Zusatzinformation bleibt oder mit ins menschliche Genom eingebaut wird. 

Hinzu kommt, dass auch die Virushülle zu unerwünschten Reaktionen führen kann. Zwischen einem Drittel und der Hälfte der Bevölkerung bildet Antikörper gegen den Virustyp, den man als Transportmittel für das zugeführte Gen verwendet. Auch ist noch unklar, wie lang die Wirkung der Gentherapie anhält. Bei einigen Untersuchungen zeigte sich, dass die eingeschleusten Gene nach einiger Zeit nicht mehr funktionierten.

Bevor die Gentherapie für Hämophilie auf den Markt kommt, arbeiten Wissenschaftler daran, diese Fragen zu klären. Es bleibt also weiterhin spannend, wie sich die Gentherapie zur Behandlung der Hämophilie entwickelt.