GSAV und Hämophilie

GSAV und Hämophilie

Was bedeutet das Gesetz für mich?

GSAV ist die Abkürzung für das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“. Durch dieses Gesetz haben sich das bestehende Arzneimittelgesetz sowie weitere Gesetze verändert. Auch die gewohnte Hämophilie-Versorgung wurde dadurch neu geordnet.

Bis Ende August 2020 hast Du Deine Faktorpräparate i. d. R. direkt von Deinem behandelnden Arzt bzw. im Hämophilie-Zentrum erhalten. Diese sog. Direktabgabe war eine gesetzlich erlaubte Ausnahme vom vorgeschriebenen Apotheken-Vertriebsweg, die durch das GSAV aufgehoben wurde. Seit dem 01.09.2020 erhältst Du nun Deine verschreibungspflichtigen Faktorpräparate – genau wie alle anderen Medikamente – nur noch gegen Vorlage eines Rezepts in der Apotheke.

Durch die Neuregelung ergeben sich für Dich evtl. Fragen, z. B. wie hoch die Zuzahlungen ausfallen und wer die Faktorgabe dokumentiert. Im Folgenden findest Du darauf konkrete Antworten sowie praktische Tipps und Servicematerialien.

Wichtiger Hinweis: Seit dem 01.11.2020 muss Dein Arzt nicht nur den Namen Deines Faktorpräparats, sondern auch einen Dosierungshinweis auf das Rezept schreiben. Diese Neuerung soll die Therapiesicherheit stärken. Hast Du einen Medikationsplan oder eine schriftliche Dosierungsanweisung von Deinem Arzt erhalten, reicht das Kürzel „Dj“ aus. Es steht für: „Dosierungsanweisung vorhanden: ja“. Prüfe Dein Rezept am besten immer gleich bei Deinem Arzt auf Vollständigkeit – so vermeidest Du Rückfragen in der Apotheke.

Apothekerin und Apotheker suchen das richtige Medikament

Wer dokumentiert die Faktorgabe?

Vor der Gesetzesänderung hat Dein behandelnder Arzt die Abgabe des Faktorpräparats dokumentiert und an das Deutsche Hämophilieregister (DHR) gemeldet. Seit dem 01.09.2020 ist nun auch die Apotheke, bei der Du Dein Medikament auf Rezept erhältst, zur Dokumentation verpflichtet.

Deine Apotheke leitet die Daten an den Arzt weiter, der Dir die Gerinnungsmedikamente verschrieben hat. Das ist i. d. R. Dein Hämophilie-Arzt. Hat Dir ein anderer Arzt das Faktorpräparat verschrieben, muss dieser die Daten an Deinen dauerhaft behandelnden Hämophilie-Arzt übermitteln. Dieser kann dann wie gewohnt die Meldung an das DHR vornehmen.

Du dokumentierst ebenfalls wie immer Deine Faktoranwendungen in Deinem Substitutionstagebuch oder Deiner Therapie-App und gibst diese Informationen an Deinen behandelnden Hämostaseologen.

Wie ist die Notfallversorgung organisiert?

Hämophilie-Zentren und andere Einrichtungen zur Hämophilie-Versorgung dürfen auch weiterhin Arzneimittelvorräte für Notfallbehandlungen in ihren Räumlichkeiten lagern oder mit einer Apotheke kooperieren, die ein Notfalldepot unterhält. So stellen beide Einrichtungen gemeinsam die Notfallversorgung rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr sicher. Beliefert werden die Einrichtungen zukünftig von einer Apotheke, statt direkt vom Hersteller.

Was sind Zuzahlungen?

Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten, wie z. B. Faktorpräparaten, ebenso bei Hilfsmitteln und Verbandsmaterial sowie weiteren Leistungen der Krankenkassen müssen sich gesetzlich Versicherte an den Kosten beteiligen. Diese Zuzahlungspflicht fällt zusätzlich zu den Beitragszahlungen an. Der Eigenanteil beträgt 10 Prozent des Abgabepreises und ist begrenzt auf mindestens 5 und höchstens 10 Euro.

Ein Beispiel: Kostet ein Medikament weniger als 5 Euro, trägst Du die Kosten alleine. Kostet ein Medikament 10 Euro, beträgt Dein Anteil 5 Euro. Kostet ein Medikament 100 Euro oder mehr, zahlst Du den Höchstbetrag von 10 Euro dazu. Die Zuzahlung gilt pro Medikament.

Gut zu wissen: Kinder bis 18 Jahre sind von der Zuzahlungspflicht befreit (Ausnahme ist die Zuzahlung bei Fahrtkosten). Auch für chronisch Kranke gibt es spezifische Sonderregeln. Sie zahlen unter bestimmten Voraussetzungen weniger.

Geld auf Rezept

Regelung für chronisch Kranke

Grundsätzlich musst Du als gesetzlich Versicherter Zuzahlungen innerhalb eines Jahres nur in Höhe Deiner individuellen Belastungsgrenze zahlen. Diese Grenze liegt bei 2 Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens der Familie. Besondere Regelungen gelten für chronisch Kranke, die sich wegen einer schwerwiegenden Erkrankung in Dauerbehandlung befinden: Ihre Belastungsgrenze liegt bei 1 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen.

Welche Kriterien genau für eine schwerwiegende chronische Erkrankung gelten, hat der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) festgelegt. Die Kriterien kannst Du unter § 2 der sog. Chroniker-Richtlinie nachlesen.

Bei Deiner Krankenkasse kannst Du einen Antrag auf Anerkennung einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung stellen. Fordere dafür bei Deiner Krankenkasse ein entsprechendes Formular an. Dein behandelnder Arzt füllt den Antrag aus und Deine Krankenkasse entscheidet dann, ob Dein Antrag angenommen oder abgelehnt wird.

Justitia

Zuzahlungsbefreiungen

Deine Krankenkasse informiert Dich nicht automatisch, sobald Du Deine individuelle Belastungsgrenze erreicht hast. Behalte daher Deine Zuzahlungen immer selbst im Blick. Sammle am besten alle Belege an einem zentralen Ort. Du kannst auch in Deiner Stammapotheke nach der Möglichkeit fragen, Dich registrieren zu lassen. So kannst Du jederzeit einen Sammel-Zuzahlungsbeleg einsehen und ausdrucken lassen – damit entfällt das lästige Belegesammeln.

Erreichst Du im Laufe eines Kalenderjahres Deine individuelle Belastungsgrenze, kannst Du Dich für den Rest des Jahres von weiteren Zuzahlungen befreien lassen. Gehe dafür so vor:

  • Sammle alle Belege und Rechnungen über Deine Zuzahlungen, z. B. für Medikamente, Hilfsmittel und Therapien.
  • Achte darauf, dass Deine Belege immer folgende Informationen enthalten: Vor- und Zuname, Art der Leistung, Zuzahlungsbetrag, Datum und Ausgabestelle.
  • Berechne Deine jährliche Belastungsgrenze für Zuzahlungen, z. B. mit dem Zuzahlungsrechner auf dem Internet-Portal der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA)
  • Stell bei Deiner Krankenkasse einen Antrag auf Befreiung von Zuzahlungen, sobald Du Deine Höchstgrenze von 2 bzw. 1 Prozent erreicht hast.

Eine praktische Checkliste für Zuzahlungen kannst Du auch in unserem Bestellservice downloaden.

Tipp: Bei einigen Krankenkassen ist es möglich, den Höchstbetrag für Eigenanteile bereits im Voraus zu zahlen und eine sog. Befreiungskarte zu erhalten. Der Vorteil ist, dass Du Zuzahlungen über der Belastungsgrenze nicht mehr selbst vorstrecken musst. Beachte dabei: Die errechnete Belastungsgrenze gilt unter Vorbehalt. Es können Rück- oder Nachzahlungen auf Dich zukommen.

PRIVATVERSICHERTE WENDEN SICH BITTE AN IHRE ZUSTÄNDIGE KRANKENKASSE.

Auch auf die Packungsgröße kommt es an

Faktorpräparate liegen i. d. R. als Einzelpackung (N1) vor. Bei regelmäßiger Therapie bedeutet dies eine hohe Zahl an Packungen und entsprechende Zuzahlungen, sofern keine Zuzahlungsbefreiung vorliegt. Das GSAV sieht daher eine Änderung der Arzneimittel-Packungsgrößenverordnung vor: Gemäß Art. 15 des GSAV können Arzneimittel zur spezifischen Therapie von Gerinnungsstörungen bei Hämophilie auf ärztliche Verordnung im Rahmen der Messzahlen zusammengestellt werden.

Für Dich bedeutet das: Benötigst Du mehrere Packungen auf einmal, können diese von Deinem Apotheker so zusammengestellt werden, sodass sie als Abgabe einer Einzelpackung gelten und nur einmal die Zuzahlung anfällt (bis zu höchstens 30 Packungen). Erkundige Dich dazu bitte bei Deinem Arzt und Deinem Apotheker.

 

Apothekerin mit verschiedenen Medikamenten und Rezepten

Praktische Materialien

In unserem Bestellservice findest Du zum Thema GSAV und Hämophilie hilfreiche Materialien, die Du kostenfrei bestellen oder einfach downloaden kannst, z. B.:

  • Datenblatt Versorgung mit Faktorpräparaten über die Apotheke
  • Checkliste für Zuzahlungen

Weiterführende Informationen

Bei Fragen und Anregungen steht Dir unser Patienten-Service gerne telefonisch zur Seite. Auch die Interessensgemeinschaft Hämophiler e. V. (IGH) sowie die Deutsche Hämophiliegesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten e. V. (DHG) informieren über das GSAV und die aktuelle Umsetzung und sind Ansprechpartner für all Deine Fragen.